Endlich nicht mehr allein

Ich bin nicht mehr allein! Was für eine Erleichterung, allein schon zu wissen, dass ich nicht der einzige Mensch bin, der so fühlt und so handelt; dass es noch andere wie mich gibt!“

So reagierten fast alle von uns, als sie zu OA kamen. Endlich waren wir daheim! Wir mussten nicht länger auf unsere eigene unzuverlässige Willenskraft vertrauen. Wir wandten uns einer Kraft und Stärke zu, größer als unsere eigene, und wir wurden liebevoll und mit Verständnis angenommen.
In der Vergangenheit hatten die meisten von uns verschiedene Methoden der Gewichtsreduktion und -kontrolle ausprobiert: Diätprogramme, Appetitzügler, psychiatrische Behandlungen, Hypnose, Modediäten, Sanatorien – für sich genommen hat all dies sicher seinen Wert, doch für die meisten zwanghaften Esser waren das nur vorübergehende Lösungen. Viele von uns haben durch solche Dinge wohl Gewicht verloren, aber meist nur um mehr als zuvor wieder zuzunehmen.

Wie viele Male haben wir den Satz gehört: „Wenn du nur ein bisschen Willenskraft einsetzen würdest, könntest du all das Gewicht verlieren.“ Oder: „Du hast so ein hübsches Gesicht, Liebes, wenn du nur nicht so dick wärst.“ Und besonders bei Männern: „Weißt du nicht, dass du mit all diesen zusätzlichen Pfunden einen Herzinfarkt geradezu herausforderst?“
Viele Male aßen wir aus Frust, Ärger oder Selbstmitleid und standen am nächsten Morgen mit den Worten auf: „Heute fange ich mit meiner Diät an und werde nie wieder davon abweichen!“ Natürlich hielten unsere guten Vorsätze nie sehr lange und wir waren bald wieder auf dem altbekannten Karussell der Diäten und Essanfälle.

Nun können wir das erste Mal in unserem Leben HOFFNUNG haben! In der OA-Gemeinschaft erfahren wir, dass wir nicht alleine sind. Wir treffen andere, die wie wir gelitten haben, und sie bieten uns Liebe, Mitgefühl und Verständnis für unser gemeinsames Problem. In OA können wir unsere Gefühle ungeschminkt zeigen. Hier finden wir offene Ohren und mitfühlende Herzen, Menschen, die uns nicht verurteilen und die bereit sind, den langen Weg der Genesung mit uns gemeinsam zu gehen.

In OA erleben wir, dass wir uns selbst am meisten helfen, indem wir anderen mit dem gleichem Problem beistehen. Wir lernen, dass wir uns in unserem Innersten ehrlich eingestehen müssen, dass wir zwanghafte Esser und dem Essen gegenüber machtlos sind. Dies ist der erste Schritt in Richtung Genesung. Mit OA haben wir etwas, das wir noch nie zuvor hatten: eine bewährte, durchführbare Methode, mit der wir fähig sind, das Fortschreiten unserer Erkrankung aufzuhalten, immer nur für einen Tag.

Die OA-Gemeinschaft wurde 1960 gegründet. Unser Genesungsprogramm wurde aus dem der Anonymen Alkoholiker entwickelt; wir benutzen die gleichen Zwölf Schritte und Zwölf Traditionen, wobei wir nur die Worte „Alkohol“ und „Alkoholiker“ gegen „Essen“ und „zwanghafter Esser“ austauschen. 

Dieses Genesungsprogramm ist für uns, die wir keine Hoffnung mehr hatten, ein Wunder. Es ist ein Beweis für die Tatsache, dass wir zwanghaften Esser einander helfen können – zu unserem eigenen Wohl, dem unserer Familien und des Umfelds, in dem wir leben.

Die drei Ebenen der Genesung

Bei OA erfahren wir, dass wir eine dreifache Krankheit haben – körperlich, emotional und spirituell. Daher müssen wir auch auf allen drei Ebenen nach Genesung streben, wenn wir unseren Gewichtsverlust behalten und ein zufriedenes Leben führen wollen. 

Die spirituellen Grundsätze der Zwölf Schritte von OA fördern eine innere Wandlung und bewirken eine körperliche, emotionale und spirituelle Genesung.

Körperlich

Zwanghaftes Essen ist eine Erkrankung, die sich bei uns oft körperlich auswirkt. Egal ob wir schwerer als je zuvor sind, mal wieder auf dem Weg nach oben oder leichter als je zuvor, wenige von uns sind in ihrer bestmöglichen körperlichen Verfassung, wenn sie zu OA kommen. Das jahrelange Hin- und Herschwanken zwischen Unersättlichkeit und Hungerdiäten hat unsere Gesundheit nachhaltig geschädigt.

Die Unfähigkeit, unser Essverhalten zu kontrollieren, ist für uns ein fortwährendes Problem. Bei OA lernen wir zu verstehen, dass nicht Nahrung unser Problem ist, sondern dass zwanghaftes Essen und Körperfülle lediglich die Symptome unserer Lebensprobleme sind.

Manche Mitglieder finden es leichter, die Besessenheit mit dem Thema Essen aufzugeben, indem sie sich an einen individuellen Essplan halten. Denjenigen, die an Fragen zur Ernährung und an Essplänen näher interessiert sind, raten wir, sich an qualifizierte Fachkräfte zu wenden. Viele Informationen dazu sind auch in der Broschüre Essplan, Abstinenz und Sponsorschaft zu finden.

Die einzige Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu OA ist der Wunsch, mit dem zwanghaften Essen aufzuhören. Wir gebrauchen oft das Wort „Abstinenz“, was einfach bedeutet, sich des zwanghaften Essens zu enthalten.

Das tägliche Praktizieren der Zwölf Schritte gibt uns die Freiheit zu wählen, wie und was wir essen. Ihre Grundsätze geben uns die Kraft, dem Leben ohne übermäßiges Essen zu begegnen, und sie erlösen uns vom Esszwang. Wir bewegen uns über das Essen hinaus, hin zu einem gesünderen, glücklicheren Leben.

Emotional

Nahrung ist für alle Menschen notwendig, um sich am Leben zu erhalten. Für uns, die wir zwanghaft essen, ist Nahrung aber notwendig, um uns dem Leben zu stellen. Jedem Gefühl, von Schmerz bis Glückseligkeit, begegnen wir mit der Flucht in den Trost und das Vergessen, die das Essen bietet. Dieses Muster, die Flucht ins Essen, untergräbt unsere geistige Gesundheit.

Zwanghaftes Essen ist eine Krankheit der Isolation, bei der wir oft unfähig werden, unsere Gefühle vollständig und ehrlich mitzuteilen; wir übertreiben oder verleugnen sie. 

Viele von uns kommen hoffnungslos, niedergeschlagen, ja sogar selbstmordgefährdet zu OA – oder einfach mit dem Gefühl, dass mit ihnen grundsätzlich etwas nicht stimmt. Wieder andere von uns sind überzeugt, dass ihre Gefühle angemessen sind und der Rest der Welt verrückt ist. So oder so geraten wir über kurz oder lang in die Isolation und flüchten mit dem Essen vor der Wirklichkeit.

In OA sind wir durch das Leben nach den Prinzipien der Zwölf Schritte fähig, das Leben so anzunehmen, wie es ist. Wir akzeptieren unsere Gefühle und bekommen die Kraft, in schwierigen Situationen geistig gesund zu reagieren. Wenn wir täglich die Zwölf Schritte von OA anwenden, finden wir ein seelisches Gleichgewicht. Wir schauen den Freuden und auch den Schwierigkeiten des Lebens ins Auge, ohne auf unser zwanghaftes Essverhalten zurückzugreifen.

Spirituell

Ein Ess-Süchtiger hat alleine nicht die Kraft, mit dem selbstzerstörerischen Essen aufzuhören.

Unsere spirituelle Erkrankung beruht auf einer Täuschung; wir glauben, dass wir trotz unseres ungesunden Essverhaltens nicht auf fremde Hilfe angewiesen sind. Übermäßige Selbstbezogenheit und ein Mangel an Vertrauen in eine Macht größer als wir selbst sind Hemmnisse zwischen uns und der Kraft, die wir brauchen, um mit dem zwanghaften Essen aufzuhören.

In OA wird uns gesagt, dass wir unsere Machtlosigkeit dem Essen gegenüber zugeben sollen und dass eine Kraft, größer als wir selbst, uns helfen kann, wenn wir das zulassen. Einige von uns, insbesondere die Atheisten und Agnostiker, betrachten die OA-Gruppe selber als die Macht größer als sie selbst. Die meisten Mitglieder nehmen aber eine Vorstellung von Gott an, die ihrem persönlichen Verständnis entspricht.
Es ist nicht notwendig, dass wir einen Glauben annehmen, aber wir können aufhören zu zweifeln. Bei der Arbeit im OA-Programm ist es wesentlich, dass wir bereit werden, eine Macht, größer als wir selbst, anzuerkennen.

Wir können nicht oft genug betonen, dass das spirituelle Programm, das die Zwölf Schritte beinhaltet, funktioniert. Wir brauchen eine neue Art und Weise, auf das Leben zu reagieren – im Grunde eine spirituelle Lebensweise. Diese finden wir durch das Zwölf-Schritte-Genesungsprogramm.

Nur für Heute

„Alles, was ich nicht ein ganzes Leben lang tun könnte, kann ich wenigstens für 24 Stunden zu tun versuchen.“ 

Dies war für uns eine brandneue Denkweise, als wir zu OA kamen. Davor sagten wir, wenn wir auf unser Gewichtsproblem – ob 5 Pfund, 100 Pfund oder mehr – schauten: „Warum es überhaupt versuchen? Es ist zu viel für mich! Ich kann es sowieso nicht schaffen.“ Auch wenn wir in anderen Bereichen des Lebens ein Problem hatten, das viel Zeit zur Bearbeitung in Anspruch zu nehmen drohte, ließ diese Aussicht all unsere Anstrengungen vergeblich erscheinen.

In OA haben wir gelernt, alles langsam anzugehen. Dies gilt besonders beim Erlernen des OA-Programms selbst. Niemand erwartet von uns, alle Prinzipien der Zwölf Schritte sofort zu verstehen und anzuwenden. Wir brauchen nur einen Schritt nach dem anderen zu gehen, einen Tag nach dem anderen. Wir müssen nicht jetzt gleich auf alles schauen – auf das gesamte Programm, auf all die kommenden Jahre. Natürlich müssen wir in unserem Leben planen, doch sobald wir einmal geplant haben, ist alles, was wir tun können, nur für heute zu handeln.

Die 12 Schritte und 12 Tradition

Die 12 Schritte dienen der Genesung des Einzelnen, während die 12 Traditionen das Wohlergehen der OA-Gruppen sicherstellen. Die Traditionen wurden entwickelt, um Gruppenprobleme zu verhindern, aber sie können auch in unseren persönlichen Beziehungen angewendet werden.

Die Schritte und Traditionen entstanden aus den oft mühseligen Erfahrungen, als Einzelner zu genesen und als Gruppe zu überleben. Wir empfinden sie als lebenswichtig für die Genesung zwanghafter Esser und für das Wachstum von Overeaters Anonymous.

overeaters-anonymous-home-button
Overeaters Anonymous Interessengemeinschaft e.V. Heckenrosenweg 33 47804 Krefeld
Trage dich jetzt in unseren Newsletter ein, um die neusten Beiträge sofort zu erhalten!

© 2024 Overeaters Anonymous Interessengemeinschaft e.V.